Beitrag verfasst von Tobias Wilinski
Warum Künstler*innen einen Strategie brauchen
Eine Strategie zu haben ist nichtt zu unterschätzen meint auch Colin Schrinner von Tunecore:
„Es ist unfassbar wichtig, dass man gute Content- und Social-Media-Strategien macht. Sich auch einen Contentplan für die Veröffentlichungen anlegt und genau weiß, wo man hinwill und wie man sich selbst positioniert.“
Auch wenn das zu den Dingen gehört, auf die Künstler*innen vermutlich so gar keinen Bock haben. Ein Contentplan für Veröffentlichungen ist wichtig. Gerade wenn ich mit vielen externen Leuten zusammenarbeite, aber auch wenn ich alles Independent macht. Da hilft es zu wissen wann welcher Song rauskommt, wie man den vorstellen möchte, ob man Videos dafür produziert, ob man beim Videodreh fotos schießt. Zum Beispiel für Making of-Bilder bis hin zur Frage welche Hashtags will ich benutzen und wem schicke ich Promo-Material wie 10 Sekündige hochkantvideos, die meine Freund*innen hoffentlich teilen. Um mehr Leute zu erreichen, ist es auch gut kleinere Plattformen auszuprobieren. Das meint Matthias Strobel, er ist Präsident von MusicTech Germany, dem Bundesverband für Musiktechnologie in Deutschland:
„Nicht nur auf die bekannten Plattformen wie TikTok, Snapchat, Facebook, Instagram usw. setzen. Auch gucken, was gibt es noch für Plattformen oder Apps, die auch eine signifikante Anzahl an Userinnen hat z. B. Triller. Das ist eine Plattform, die soweit ich weiß aus Amerika kommt, auf der sind auch schon 40 oder 50 Millionen User sind. Triller hat auch einen Deal mit allen Major Labels, d.h. da ist das Lizenzierungsproblem nicht so ein großes. Im Grunde genommen ist die App so wie Tik Tok, nur dass sie noch eine Bandbreite an anderen Möglichkeiten bietet. Der Vorteil bei solchen Plattformen ist eben, dass man nicht in Competition mit so vielen anderen bekannten Stars oder Künstlerinnen steht, die schon eine besonders große Reichweite haben und schon sehr viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen, sondern da kann man auch als kleine Künstlerin noch ne Fanbase erreichen.“
TikTok habe ich in der letzen Folge schon mit Instagram-Reels verglichen. In meiner Stichprobe kam ich zu dem Schluss, dass TikTok sich für Musik-Promo momentan deutlich besser eignet und in Deutschland auch noch mehr benutzt wird. OBWOHL instagram laut ARD-ZDF-Onlinestudie, von viel mehr Leuten genutzt wird. Es ist auf jeden Fall gut und wichtig auszuprobieren: Welche Plattform gefällt mir besser, womit kann ich besser umgehen, wo krieg ich mehr Reaktionen. Wenn ich viele Plattformen nutze, ist es wichtig, mir die Zeit zu nehmen, für jede Plattform auch einen eigenen Post zu machen. So was wie „Poste auf Instagram und der Post landet automatisch bei Twitter, Facebook, was weiß ich“ ist eine faule Variante, und das sehen auch meine Fans, die bei Twitter dann z. B. nur einen Link zu Instagram sehen – ohne Bild.
Das wirkt sich dann wiederum negativ auf meine Reichweite aus und die ist mit das wichtigste für mich, um als Künstler bekannter zu werden. Dazu Leander Kirschner, der Manager von Aylo. Die Künstlerin hat mit Insta-Reels zigtausend-Aufrufe gesammelt. Bei TikTok haben manche Videos die Millionen-Aufrufe geknackt.
„In meinen Augen ist es ganz wichtig, zu gucken: Wo kriege ich die Reichweite her? Wie baue ich Reichweite auf? Eine Kernkompetenz eines erfolgreichen Künstlers 2021 ist ganz klar die Vermarktung. Dabei ist natürlich TikTok nicht zu übersehen, muss man ganz klar sagen. Da kann man die Reichweite sehr gut aufbauen. Dann ist für den Künstler natürlich wichtig: Wie konvertiere ich diese Reichweite? Also nur weil man viele Follower auf TikTok hat oder viele Views erreicht, bedeutet es ja noch nicht, dass die Musik sehr gut läuft. Da gibt es unterschiedliche Beispiele es gibt Künstler, die es sehr gut schaffen zu konvertieren und welche, die es weniger gut schaffen. Das ist auf jeden Fall eine der Kernaufgaben, sich immer wieder zu überlegen: Wie mache ich meiner Audience klar, dass ich nicht nur Entertainer bin, Sondern auch Musiker? Wie können sie auf meine Musik stoßen? Ich kann immer nur sagen: Die Augen offen halten, Technologie benutzen und sehr sehr Fan-nah sein. Und sich immer wieder zu überlegen: Was kann ich tun, dass meine Fans – die ja am Ende auch meine Kunden sind – ein tolles Erlebnis haben und wie kann ich mich von anderen Künstlern abheben?“
Leander spricht hier einen super-wichtigen Punkt an: Angenommen, ich hab mir den genialsten Content-Plan gemacht, hab auf TikTok 100k Follower*innen und Videos, die Millionenmal aufgerufen wurden, aber nichts mit meiner Musik zu tun haben, was hab ich davon. Gerade lustige Videos kommen bei TikTok gut an, aber ich will ja kein Comedian sein, sondern angesehener Musiker. Ihr merkt, hier steckt viel drin. Viel haben wir schon in den letzten Minuten gehört. Image oder Identität: Möchte ich überhaupt als lustig wahrgenommen werden? Möchte ich überhaupt per Insta-Story Einblick in mein Privatleben geben? Wenn ich die Fragen mit Nein beantworten kann, muss ich mir andere Wege überlegen, wie ich diese Plattformen benutze und ob ich sie benutze.
Aber nochmal die Frage, weil sie grundlegend ist: Wie motiviere ich Leute, die mir folgen und meine Fotos liken, dazu auch meine Musik zu teilen und zu hören?
Wie oft sollten Künstler*innen Musik veröffentlichen?
Dass sich Streamingdienste gar nicht groß von Social Media-Plattformen unterscheiden, haben wir schon in der letzten Folge gesehen. Bei beiden spielen Aufmerksamkeit und Algorithmen eine große Rolle. Bei Spotify heißen algorithmischen Playlists z. B. Release Radar – die Playlist wird Freitags automatisch mit den neusten Songs von Künstler*innen denen ich Folge aktualisert – und Discover Weekly – hier landen auch ältere Songs drin und auch von Leuten, denen ich noch nicht folge. Um im Release Radar zu landen, solltet ihr regelmäßig also z. B. monatlich einen Song veröffentlichen. Das meint Colin Schrinner vom Indie-vertrieb Tunecore
„Man sollte kontinuierlich Musik veröffentlichen. Das ist ganz wichtig. Dann jetzt sagt, man released jeden Monat, hat man die Möglichkeit in „Release Radars“ und „Discover Weekly“-Playlisten aufgenommen zu werden und baut sich dadurch nachhaltig seine monatlichen Hörer auf.“
In einem Artikel habe ich gelesen, dass ihr nur einmal pro Monat im Release Radar landen könnt. Weiß aber nicht ob das stimmt. So oder so, kann die Strategie für euch jeden Monat Songs raus zu bringen gut sein – Gerade am Anfang der Karriere. Mit jedem Song, den ihr veröffentlicht könnt ihr wieder Promo machen, die einen Grund hat, also Musik-nah ist. Wie wir vorher gesehen haben, könnt ihr über Tik Tok und Co. ja alles mögliche posten, aber ihr wollt ja vor allem eure Musik verbreiten. So könnt ihr zum Beispiel den Produktions Prozess begleiten, bei Twitch live gehen und zusammen mit den Fans am Songwriting feilen oder auch eine Q&A-Fragerunde starten. Am Ende könnt ihr den Song promoten und sagen: „Jetzt ist der Song draußen, bei dem ihr mich begleitet habt. Viel Spaß dabei!“
Das Potenzial von Datenanalyse in der Musikindustrie
Spotify ist aber nicht nur eine Plattform, auf der ihr eure Musik anbieten könnt, sondern ihr könnt auch sehr viel analysieren. Ihr könnt im Backend bei „Spotify for Artists“ relativ genau sehen, wer eure Musik hört und was gut ankommt und viel gehört wird. Davon würde ich mich aber nicht verrückt machen lassen. Gute Songs werden vielleicht weniger gehört, als Songs bei denen ihr sagt, „die habe ich einfach mal runter geschrieben und rausgehauen und ist erfolgreich geworden.“ Also guckt da nicht zu sehr auf die Zahlen, sondern macht das worauf ihr Bock habt. Aber Zahlen können auf jeden Fall auch helfen ein grobes Gefühl zu bekommen. Und Analysetools klingt jetzt so hochtrabend, aber es sind am Ende auch Plattformen wie Facebook, Twitter oder Instagram. Wo ihr in eurem Profil genau sehen könnt, wer euch genau folgt, wie alt sind Leute, wo kommen die her, wann sind die online etc. in all diesen Plattformen sieht Matthias Strobel von Musictech Germany Große Chance für aufstrebende Künstler*innen.
„Ich würde jeder Künstler*in das Herz legen, sich mehr mit Analyse Tools zu beschäftigen, gerade am Anfang der Karriere. Um ein besseres Verständnis dafür zu bekommen, wo es sich lohnt noch mehr Werbung zu platzieren, wenn man das Budget dafür hat oder Touren in der Zukunft zu planen. Generell ein Verständnis dafür zu entwickeln, wo die eigenen Fans zu Hause sind. Welcher Track performt am besten? Wo finde ich am meisten statt? Welche Kommentare sind wo? In welchen Playlisten finde ich in welchem Kontext statt? Wenn man sich mehr damit beschäftigt, einen Einblick zu bekommen wo die Fans sind, und wie die Fans funktionieren, geht es auch leichter und schneller, sich eine größere Fan Base aufzubauen.“
Matthias Strobel hat noch viel mehr Tools empfohlen (z. B. WARM (World Air Radio Manager), Soundcharts, Fortunes.io, soundexchange.com). Zu Analyse Tools, die euch zum Beispiel helfen können zu sehen, dass ihr viele Fans in Wiesbaden habt, so dass ihr sagen könnt: „Vielleicht ist es cool, wenn ich bei der Tapefabrik auftrete. Ich schreib denen mal.“ oder auch andere Erkenntnisse, können euch helfen, eure Karriere besser durchzumanövrieren. Das sieht auch Colin Schrinner von Tunecore so.
„Sich selbst einarbeiten in Themen wie Data Analyse: Wie sieht eigentlich meine Zielgruppe aus? Wer folgt mir eigentlich? Wie alt sind die? Wo kommen die her? Wen will ich eigentlich erreichen? Wen erreiche ich? Und wen könnte ich noch erreichen? Und wo habe ich eigentlich gar nicht gecheckt, dass meine Musik vielleicht auch gut ankommt? Daraus kann man unfassbar viele Schlüsse ziehen. Aber natürlich auch so Sachen wie Werbung schalten: Auch das geht ja selber mittlerweile über Facebook Business Manager oder auf YouTube. Da kann man selber sehr viel machen, sehr viel lernen und sich sehr viel beibringen.“
Podcasts, YouTube-Tutorials, Artikel, die meisten Dinge können wir gratis im Internet lernen. Zumindest die Grundlagen. Umso mehr ich weiß umso mehr kann ich selbst tun und umso günstiger wird es. Bleiben wir beim Beispiel von Werbung schalten. Ich kann eine Agentur beauftragen, auf das Video zur neuen Single Werbung zu schalten, aber natürlich muss ich die Agentur bezahlen. Das Geld was ich für die Agentur zahle und was danach verpufft, hätte ich in Werbung stecken können und noch mehr Leute erreichen. Ich muss mir natürlich sicher, sein, dass ich meine Werbekampagne nicht verkacke und so all mein Geld verbrenne. Und was für viele Künstler*innen wohl die größere Hürde ist: Ich muss mir die Zeit nehmen. Zeit um mir das Tutorial konzentriert anzugucken, mir einen Werbe-Account einzurichten und um die Werbung zu schalten und auch zu analysieren. Und eigentlich will ich in dieser Zeit doch einfach nur Musik machen.